Entry statt Exit
„Glaube ist der Ausgang des Menschen aus seiner (selbst verschuldeten) Beziehungslosigkeit.“ Das klingt so, als hätten wir es schon einmal gehört. Mir kam dieser Satz vor Weihnachten in den Sinn. Er ist im Rhythmus der berühmten Definition der Aufklärung des Philosophen Immanuel Kant geschrieben: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.“
In beiden Sätzen begegnen wir dem Wort „Ausgang.“ Mit diesem Thema befasst sich die europäische Öffentlichkeit seit langer Zeit. Das internationale Stichwort lautet „Exit“, und es schwirrt in Abwandlungen zunächst als „Grexit“, inzwischen aber vor allem als „Brexit“ durch die Medien.
Ein Land sucht den Ausgang. Ist das ein Weg der Aufklärung? Bei vielen Bewohnern der Insel mag der bevorstehende 31. Januar 2020 jedenfalls als ein „Ausgang aus selbst verschuldeter Unmündigkeit“ empfunden werden. Damit schwimmt der „Brexit“ auf der gleichen Welle wie schon im November 1534 der Ausstieg Englands aus der Katholischen Kirche unter König Heinrich VIII.
Wie ist das, wenn wir aussteigen? Ist es Befreiung? Ist es Isolation? Ich habe den Glauben auch als „Ausgang“ definiert. Es ist aber gerade der Ausgang aus der Isolation, der Ausgang aus der Beziehungslosigkeit. Im Glauben wächst Vertrauen. Glaube ist gar kein „Exit.“ Er ist ein „Entry.“ Das war und ist Weihnachten: der „Entry“ Gottes in die Welt.
Sind wir als aufgeklärte Menschen noch beziehungsfähig? Viele Abbrüche von Beziehungen sind selbst verschuldet. Woher kommt die Kraft zum Neuanfang? Könnte es mit dem Glauben beginnen? Wir sollten diesen „Eingang“ wagen! Neues Vertrauen schenken. Eine Beziehung knüpfen. Gott tut es. Wir können es auch!
Ihr Pfarrer Dr. Christof Strüder